Monatskommentar April

Veröffentlicht am 28.03.2022
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Liebe Freunde und Förderer unseres Radios,
in der Genesis lesen wir, dass im Paradies zwei Bäume standen: der Baum des Lebens
und der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse (vgl. Gen 2,9). Diese und ihre mögliche Deutung haben mich immer fasziniert, denn der Anfang geht mit und ist von entscheidender Bedeutung für das Kommende. Mit dem Baum des Lebens verbinde ich die
Vorstellung von vollem, ewigem Leben. Dann stünde der Baum der Erkenntnis wohl für
allumfassende Erkenntnis, für Allwissenheit. Beide Bäume würden somit Eigenschaften
ausdrücken, die nur Gott zukommen. Bestand die Sünde des Menschen darin, dass er ei- genmächtig danach gegriffen hat und in diesem Sinn Gott gleich sein wollte? Andere deuten „Erkenntnis“ als die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau, denn diese wird in der
Bibel öfters mit dem Begriff „erkennen“ bezeichnet (z.B. bei der Verkündigung an Maria
in Lk 1,34: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“). Warum sollte dieses
Erkennen aber verboten sein und vor allem, warum hat der Genuss vom Baum des Lebens
so unvorstellbar negative, bis heute anhaltende Wirkungen? Nur die Berücksichtigung
des biblischen Kontextes und des weiteren Verlaufs der Erzählung vermag die richtige
Deutung zu geben. Das Essen vom Baum der Erkenntnis führt zu einer Distanzierung des
Menschen von Gott. In einem der neuesten biblischen Kommentare zum Alten Testament
von Georg Fischer (im Herder-Verlag publiziert) heißt es, dass man es mit dem „Respekt
vor Gott und der von ihm gesetzten Grenze zu tun“ hat. Im eigenständigen Agieren des
Menschen und dem unabhängigen Urteilen, was für ihn gut oder böse ist, wollte er an
die Stelle Gottes treten. „Der ‚Baum der Erkenntnis von gut und böse‘ steht symbolisch
für den Versuch des Menschen, moralisch autonom zu sein“, heißt es dort. In der eigen- mächtigen Beurteilung, was für ihn gut ist, überschreitet der Mensch sein ursprünglich
von Gott gegebenes Vermögen, weil er nicht in der Lage ist, „eine völlig angemessene,
in Allem zutreffende Einschätzung“ zu treffen. Er ist damit in den göttlichen Bereich
eingedrungen. „Wer dagegen verstößt und unabhängig von Gott seinen Weg gehen will,
verliert das ‚Leben‘ in einem tieferen Sinn.“ Die selbstmächtig geraubte Erkenntnis von
Gut und Böse wird dem Menschen zum Verhängnis, denn sie kommt allein Gott zu. Durch
seinen Drang zum von Gott autonomen Handeln fällt der Mensch aus dieser Ordnung
heraus. Es geht um eine grundlegende Verfehlung, aus der sich wurzelhaft alles Böse
ableitet. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Wenn der Mensch Gott nicht mehr Gott
sein lassen will, greift er in dessen Rechte ein und legt selbstmächtig fest – um nur ein
Beispiel zu nennen –, wer leben darf und wer nicht. Ehe und Familie werden in der Genesis als das dem Menschen Gemäße verstanden. Entgegen dem Zeugnis der Bibel, dass
Mann und Frau füreinander geschaffen sind und sich ergänzen, werden heute alternative
Beziehungsformen propagiert, die im Widerspruch zur Offenbarung stehen.
Ich bedanke mich herzlich, dass Sie unser Programm unterstützen – trotz hoher Energie- kosten und steigender Inflation.
Ihr Pfarrer Richard Kocher